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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 11.07.2001
Aktenzeichen: 1 U 4/01
Rechtsgebiete: ZPO, GKG
Vorschriften:
ZPO § 539 | |
ZPO § 511 | |
ZPO § 511 a Abs. 1 | |
ZPO § 540 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1 | |
ZPO § 711 Satz 1 | |
GKG § 8 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
1 U 4/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 11. Juli 2001
verkündet am 11. Juli 2001
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2001 durch den Präsidenten des Oberlandesgenchts Dr. Macke, den Richter am Oberlandesgericht Tombrink und den Richter am Amtsgericht Friedrichs
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21. Dezember 2000 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 11 O 196/99 - einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Potsdam zurückverwiesen.
Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden niedergeschlagen. Im übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens dem Landgericht vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer beträgt 105.000,00 DM.
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den Beklagten, einen Facharzt für Gynäkologie in eigener Praxis, wegen frauenärztlicher Behandlung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.
Die Klägerin trug sich seit 1997/98 mit dem Wunsch, mit ihrem damaligen Lebensgefährten ein Kind zu haben. Da die erhoffte Schwangerschaft ausblieb, begab sie sich am 11. September 1998 in die gynäkologische Behandlung des Beklagten. Bei der Untersuchung der Klägerin, unter anderem auch durch Sonographie, stellte der Beklagte Zysten fest. Vor dem Hintergrund des Verdachts auf beiderseitigen Tubenverschluß empfahl er in einer weiteren Konsultation am 18. Januar 1999, die Durchgängigkeit der Eileiter zu überprüfen. Auf Rat des Beklagten und entsprechenden Wunsch der Klägerin wurde die Durchführung einer Echovist-HSG-Untersuchung (Hysterosalpingographie) verabredet. Hierbei handelt es sich um ein ambulantes Verfahren zur Tubendiagnostik mittels Kontrastmittel und Ultraschall. Dabei wird in kleinen Mengen Kontrastmittel (hier: D-Galactose) in die Gebärmutterhöhle eingegeben und über eine parallele Sonographie auf dem Ultraschall-Monitor beobachtet, ob das Kontrastmittel von der Gebärmutter in die Eileiter gelangt. Geschieht dies, so erweisen sich die Eileiter (Tuben) als durchgängig; andernfalls ist ein Tubenverschluß festzustellen. Nach klinischer Untersuchung, Kontrollsonographie und Scheidendesinfektion mittels Nifuran G-Zäpfchen, wurde die Echovist-HSG-Untersuchung am 4. Februar 1999, gegen 16.00 Uhr, vorgenommen. Dabei ergab sich, daß der linke Eileiter der Klägerin durchgängig, der rechte Eileiter hingegen verschlossen war. Nach Auftreten von Beschwerden begab sich die Klägerin am Folgetag, dem 5. Februar 1999, zur stationären Behandlung in das Städtische Klinikum B GmbH. Am 9. Februar 1999 erfolgte dort wegen Verdachts auf Abszeß im Unterbauch eine operative Laparoskopie, bei der sich Verwachsungen des großen Netzes an der Uterusvorderwand und den linken Adnexen (Tuben, Ovarien) sowie ein Abszeß im Douglas'schen Raum zeigten. Hierauf wurde der Bauch durch Laparotomie eröffnet. Dabei ergaben sich eine eitrige Pelveoperitonitis (Beckenbauchfellentzündung), eine Pyosalpinx (Eileiterentzündung) links, die dicht am Uterus perforiert war, und eine Sactosalpinx (Tubenverschluß) rechts, wobei die rechte Tube ebenfalls in Adhäsionen eingebettet war; im isthmischen Bereich beider Tuben bestanden eichelgroße Knoten (Salpingitis isthmica nodosa). Nach Eiterabsaugung und Lösung der Adhäsionen wurden beide Eileiter entfernt und der Teil des großen Netzes, der den Abszeß abgedeckelt hatte, wegen entzündlicher Infiltrationen reseziert. Der weitere Verlauf der Behandlung verlief ohne Komplikationen. Die stationäre Behandlung endete am 19. Februar 1999. Infolge der Operation vom 9. Februar 1999 ist die Klägerin empfängnisunfähig. Zudem verblieb eine Quer-Narbe in der Schambehaarung. Im Juni 2000 kam es zur Trennung von ihrem Lebensgefährten.
Die Klägerin hat behauptet, sie sei von dem Beklagten über die Echovist-HSG-Untersuchung, insbesondere auch deren Risiken, nicht aufgeklärt worden. Der zunächst in Aussicht genommene Termin zur Durchführung der Echovist-HSG sei um eine Woche auf den 4. Februar 1999 verschoben worden, da sich ihre monatliche Regelblutung um eine Woche verspätet habe. Bereits am Abend des 4. Februar 1999, also wenige Stunden nach der Echovist-HSG, habe sie ziehende Schmerzen im gesamten Unterleib verspürt, die stetig zugenommen und schließlich ein unerträgliches Maß erreicht hätten. Daher sei sie noch in der gleichen Nacht - am 5. Februar 1999, gegen 3.00 Uhr - von ihrem damaligen Lebensgefährten zur Notaufnahme des Städtischen Klinikums B GmbH gebracht und sogleich zur stationären Behandlung aufgenommen worden. Dort habe sie erfahren, daß eine eitrige Entzündung beider Eileiter vorliege und mit der Echovist-HSG zusammenhängen könne. Als künftige Schadensfolgen sei mit Entzündungen an den Schnittstellen im Unterbauch, Depressionen wegen fehlgeschlagener Lebensplanung und Empfängnisunfähigkeit sowie Nachteilen im Zusammenhang mit möglichen Maßnahmen zur Refertilisation zu rechnen. Die Klägerin hat geltend gemacht, es deute Vieles - vor allem auch der enge zeitliche Zusammenhang - darauf hin, daß die Eileiter- und Beckenbauchfellentzündung und damit auch die Operation vom 9. Februar 1999 durch Fehler des Beklagten bei der Durchführung der Echovist-HSG verursacht worden seien. Hierfür spreche ein Beweis des ersten Anscheins. Der Eingriff vom 4. Februar 1999 sei bereits mangels zureichender Aufklärung über die Echovist-HSG und deren Risiken rechtswidrig gewesen. Zudem habe es der Beklagte versäumt, vor dem Eingriff vom 4. Februar 1999 die nötigen Voruntersuchungen vorzunehmen, insbesondere ein Blutbild unter Einschluß der Blutsenkung zu ermitteln, um eine etwaige Entzündung im Bauchraum abzuklären, zumal sich aus der Verzögerung der Regelblutung möglicherweise entsprechende Verdachtsmomente ergeben hätten. Unter Berücksichtigung der erlittenen Beschwerden, des zweiwöchigen stationären Aufenthalts, der Operation vom 9. Februar 1999 und der eingetretenen Dauerfolgen hat die Klägerin ein Schmerzensgeld von mindestens 100.000,00 DM für angemessen gehalten.
Die Klägerin hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, ihr ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das aber nicht unter DM 100.000,00 liegen sollte, zuzüglich 4% Zinsen ab Rechtshängigkeit;
2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr allen - materiellen und immateriellen - Schaden zu ersetzen, der entstanden ist, entsteht oder entstehen wird aufgrund ihrer Behandlung (Eileiter-Spülung) in seiner Praxis am 4. Februar 1999, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, bereits bei der Untersuchung am 11. September 1998 habe sich aufgrund der Sonographie der dringende Verdacht auf beiderseitigen Tubenverschluß ergeben, den er mit der Klägerin besprochen habe. Er habe hierbei sowie am 18. Januar 1999 darauf hingewiesen, daß eine weitere Abklärung entweder durch eine stationäre Chromolaparoskopie in OP-Bereitschaft oder durch eine ambulante Echovist-HSG erfolgen könne. Die Klägerin habe einen stationären Aufenthalt vermeiden wollen und sich daher ausdrücklich für die Echovist-HSG entschieden. Über dieses Untersuchungsverfahren und seine Risiken sei die Klägerin am 4. Februar 1999 vor Durchführung des Eingriffs aufgeklärt worden. Der Termin vom 4. Februar 1999 sei bereits am 18. Januar 1999 festgelegt worden. Die Echovist-Untersuchung sei fehlerfrei verlaufen; da kein Hinweis auf eine akute Erkrankung vorgelegen habe, sei eine vorherige Blutuntersuchung nicht erforderlich gewesen. Zudem bestehe kein Kausalzusammenhang zwischen der Echovist-HSG und der Operation vom 9. Februar 1999.
Durch sein am 21. Dezember 2000 verkündetes Urteil, auf das ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen schadenskausalen Behandlungs- bzw. Aufklärungsfehler nicht genügend dargetan.
Gegen dieses ihr am 29. Dezember 2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Eingang vom 12. Januar 2001 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 12. März 2001 durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 12. Februar 2001 - mit Schriftsatz vom 12. März 2001, eingegangen an demselben Tage, begründet. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht geltend, das Landgericht habe die für den Arzthaftungsprozeß geltenden besonderen Grundsätze, nämlich die Amtsermittlungspflicht des Gerichts und die geringeren Substantiierungsanforderungen an das Vorbringen des klagenden Patienten, fehlerhaft außer Acht gelassen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung
1. den Beklagten zu verurteilen, ihr ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das aber nicht unter DM 100.000,00 liegen sollte, nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit;
2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr allen materiellen und künftigen immateriellen Schaden zu ersetzen, der aufgrund ihrer Behandlung (Eileiter-Spülung) in seiner Praxis in der Zeit vom 11. September 1998 bis 4. Februar 1999 entstanden ist, entsteht oder entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er nimmt Bezug auf sein erstinstanzliches Vorbringen sowie auf die Ausführungen der angefochtenen Entscheidung und entgegnet im übrigen: Über die Echovist-HSG sei die Klägerin umfassend belehrt und aufgeklärt worden, allerdings nicht über das Risiko einer Bauchfellentzündung, da es sich hierbei nicht um ein typisches Risiko dieser Untersuchung handele. Von einer vorherigen Blutuntersuchung habe er abgesehen, da keine Hinweise auf eine Entzündung oder eine akute Erkrankung vorgelegen hätten. Im Falle einer Entzündung hätte er die Echovist-HSG nicht durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in beiden Rechtszügen eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Auf die zulässige Berufung der Klägerin war die angefochtene Entscheidung einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens wegen schwerwiegender Verfahrensmängel gemäß § 539 ZPO aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Potsdam zurückzuverweisen.
1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 511, 511 a Abs. 1 ZPO an sich statthaft und form- und fristgerecht bei dem zuständigen Brandenburgischen Oberlandesgericht eingelegt und begründet worden (§§ 516, 518 f ZPO, § 119 Abs. 1 Nr. 3 GVG).
2. Wegen wesentlicher Verfahrensmängel wird die angefochtene Entscheidung einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens gemäß § 539 ZPO aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Potsdam zurückverwiesen.
Das Landgericht hat mit seiner Annahme, daß die Klägerin für einen kausalen Behandlungsfehler, insbesondere für die haftungsbegründende Kausalität, keine genügenden Anhaltspunkte dargetan habe und die Klage daher ohne Beweiserhebung abzuweisen sei, die besonderen prozessualen Grundsätze für Arzthaftungssachen schwerwiegend verkannt. An die Darlegungs- und Substantiierungspflichten des klagenden Patienten sind im Arzthaftungsprozeß nur maßvolle Anforderungen zu stellen, da ihm regelmäßig die genaue Einsicht in das Behandlungsgeschehen und das nötige medizinische Fachwissen zur Erfassung und Darstellung des Konfliktstoffes fehlen (s. BGH NJW 1981, S. 630, 631; VersR 1981, S. 752; NJW 1987, S. 500; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 8. Aufl. 1999, Rdn. 580 f. m.w.Nw.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl. 2001, S. 243 f. m.w.Nw.). Hiermit korrespondiert eine verstärkte Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts im Wege der Amtsermittlung (s. BGH VersR 1980, S. 940 f.; VersR 1980, S. 533; VersR 1982, S. 168 f.; Steffen/ Dressler, aaO., Rdn. 578, 585; Geiß/Greiner, aaO., S. 243, 247, 248 m.w.Nw.). Diesen Grundsätzen hat das Landgericht nicht ansatzweise entsprochen; soweit es in dem landgerichtlichen Urteil heißt, daß an die Substantiierungslast des Patienten "keine überzogenen Anforderungen" gestellt werden dürften, erscheint dies als bloßes "Lippenbekenntnis". Die Klägerin hat in ihrem Vortrag erkennen lassen, daß aus ihrer Sicht ernstliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Echovist-HSG-Untersuchung vom 4. Februar 1999 zum Eintritt einer Eileiter- und Beckenbauchfellentzündung, dem stationären Aufenthalt vom 5. bis 19. Februar 1999 und - vor allem - zur Operation vom 9. Februar 1999 sowie den daraus erwachsenen Dauerfolgen (Gebärunfähigkeit, Narbe) geführt habe; dies sei ihr bereits im Krankenhaus als möglich dargestellt worden. Weitergehenden Vortrag kann man von einem medizinischen Laien zur Frage der Kausalität nicht erwarten. Darüber hinaus hat sich die Klägerin auf eine unterbliebene Aufklärung, vor allem hinsichtlich der (Infektions-)Risiken der Echovist-HSG, sowie auf mögliche Behandlungsfehler, insbesondere das Unterbleiben einer vorherigen Abklärung auf kontraindizierende Infektionen durch eine Blutuntersuchung, berufen. Auch diesen Vortrag durfte das Landgericht nicht schlicht als unsubstantiiert oder gar im Wege der unzulässigen vorweggenommenen Beweiswürdigung als irrelevant abtun.
In einer solcherart schwerwiegenden Verkennung der besonderen Verfahrensgrundsätze des Arzthaftungsrechts liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler im Sinne von § 539 ZPO, der zur Aufhebung und Zurückverweisung führen kann. Anerkanntermaßen stellt das Unterlassen einer Beweiserhebung aus irrigen Erwägungen ebenso wie das Anlegen übersteigerter Substantiierungsanforderungen an die Partei mit korrespondierender Vernachlässigung der gerichtlichen Aufklärung einen Verfahrensfehler im Sinne von § 539 ZPO dar (vgl. BGH NJW 1995, S. 3124, 3125; Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 539 Rdn. 19; Baumbach/Albers, ZPO, 59. Aufl. 2001, § 539 Rdn. 5 m.w.Nw.). Entsprechendes gilt für Fälle, in denen die erforderliche Sachaufklärung unter Verletzung von Verfahrensnormen, die das rechtliche Gehör und eine umfassende und sachgerechte Aufklärung des streitgegenständlichen Sachverhalts gewährleisten sollen, unterblieben ist (vgl. BGH NJW 1993, S. 538 f.; Musielak/ Ball, ZPO, 2. Aufl. 2000, § 539 Rdn. 6; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl. 1999, § 539 Rdn. 7). Freilich fehlt es an einem Verfahrensfehler im Sinne von § 539 ZPO, wenn das Gericht das Vorbringen einer Partei lediglich für nicht genügend substantiiert hält oder infolge materiell-rechtlicher Erwägungen von einer Beweisaufnahme absieht (s. BGH NJW 1993, S. 538, 539; NJW 1993, S. 2318, 2319; NJW-RR 1995, S. 123, 125; NJW 1997, S. 1447 f.; NJW 2000, S. 2099, 2100; Musielak/Ball, aaO.; § 539 Rdn. 7, 9; Thomas/Putzo, aaO., § 539 Rdn. 4; Baumbach/Albers, aaO., § 539 Rdn. 4). Der Fehler des Landgerichts liegt hier aber im Schwerpunkt nicht in einer materiellrechtlichen oder die Auslegung des Sachverhalts betreffenden Fehleinschätzung, sondern in der Verkennung der besonderen Verfahrensgrundsätze für Arzthaftungssachen, die ihrerseits auf Verfassungsgebote zurückgehen (faires Verfahren, Waffen- und Chancengleichheit, rechtliches Gehör). Darin liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne von § 539 ZPO.
Da der Fortgang des Verfahrens noch einer Anhörung der Parteien noch der Beweiserhebung bedarf (s. nachfolgend), hat der Senat davon abgesehen, gemäß § 540 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden.
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Bei der Prüfung der Begründetheit der Klage (Schadenersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung sowie aus §§ 823, 249 ff., 847 Abs. 1 BGB) ist zwischen der Rüge eines Aufklärungsmangels und dem Vorwurf des Behandlungsfehlers zu unterscheiden. In bezug auf den gerügten Aufklärungsmangel ist anhand einer persönlichen Anhörung der Parteien unter Auswertung der Patientenunterlagen zu klären, in welcher Weise und über welche Risiken der Echovist-HSG der Beklagte die Klägerin aufgeklärt hat und ob sich die Klägerin bei weitergehender Aufklärung in einem echten Entscheidungskonflikt befunden hätte. Sodann wäre, gfs. durch Hinzuziehung eines medizinischen Sachverständigen, zu klären, ob Risiken, die der Beklagte der Klägerin etwa nicht mitgeteilt hat, für die Echovist-HSG typisch und vorliegend relevant geworden sind und ob ein Kausalzusammenhang zwischen der Echovist-HSG und der stationären Behandlung vom 5. bis 19. Februar 1999 - vor allem der Operation vom 9. Februar 1999 - besteht; für die letztgenannte Frage sind insbesondere auch die Behandlungsunterlagen des Krankenhauses auszuwerten. Zu dem Vorwurf eines Behandlungsfehlers ist durch Gutachten eines medizinischen Sachverständigen zu klären, ob etwa das Unterbleiben einer vorherigen Abklärung auf kontraindizierende Infektionen durch eine Blutuntersuchung nach Lage des Falles einen - gfs. schweren - ärztlichen Kunstfehler dargestellt hat und auf eine kausale Verknüpfung zwischen der Echovist-HSG und der stationären Behandlung vorn 5. bis 19. Februar 1999 - vor allem der Operation vom 9. Februar 1999 - geschlossen werden kann bzw. ob sich aus dem gesamten Geschehensablauf genügende Anhaltspunkte für die Annahme eines (anderweitigen) kausalen Behandlungsfehlers bei der Durchführung der Echovist-HSG ergeben. Sofern sich danach eine Haftung des Beklagten dem Grunde nach ergibt, wären, gfs. unter sachverständiger Beratung, weitere Feststellungen zu den bereits eingetretenen und zur Frage der nicht fern liegenden Möglichkeit künftiger Schadensfolgen zu treffen.
Soweit die Parteien in nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätzen ihre Bereitschaft bekundet haben, in dieser Sache ein Schlichtungsverfahren vor der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der Norddeutschen Ärztekammer durchzuführen, bleibt es ihnen unbenommen, für diesen Fall vor dem Landgericht die Anordnung des Ruhens des Verfahrens (§ 251 ZPO) zu beantragen.
4. Die Entscheidung über die Niederschlagung der Gerichtskosten für das Berufungsverfahren (s. Ziffer 1220, 1226 KV-GKG) beruht auf § 8 GKG. Bei fehlerfreiem Verfahren des Landgerichts wären die Kosten dieses Berufungsverfahrens, das zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache führt, nicht entstanden. Über die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens hat das Landgericht zu befinden (vgl. hierzu etwa Zöller/Gummer, aaO., § 539 Rdn. 27 m.w.Nw.). Eine Niederschlagung von Gerichtskosten des ersten Rechtszuges kommt nicht in Betracht, da für die angefochtene Entscheidung keine selbständigen Gerichtsgebühren angefallen sind (s. Ziffer 1201 KV-GKG).
5. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 708 Nr. 10 und § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Von der Anordnung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 Satz 1 ZPO hat der Senat abgesehen, da das Urteil keiner Partei die Möglichkeit zur Zwangsvollstreckung gegen die jeweils andere Partei eröffnet.
Ende der Entscheidung
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